Uhestemer Reutter richtet Weihnachtsgrüße aus

Thema unserer diesjährigen Weihnachtswünsche ist das regionale Handwerk, das so wichtig für unsere Lebensqualität ist. Auf dem Bild sehen Sie eine traditionsreiche Lebkuchenfigur aus der Ostheimer Bäckerei Schenk.

Gebacken nach einem Rezept von 1739 stellt das Gebildebrot eine Reiterfigur dar. Der „Reutter“ ist eine beliebte Nascherei in der Adventszeit.

Der Teig wird über Monate vorbereitet und mit natürlichen Zutaten nach dem Geheimrezept liebevoll zubereitet. Verziert wird der stattliche Reiter mit einer bunten Satteldecke und feinem Zaumzeug aus Zuckerguss. Obendrauf prangt ein geprägter Papierkopf mit Rauschebart und roter Fellmütze.

Wollen Sie mehr erfahren? Die ganze Geschichte des Ostheimer Reutters (zu dem es übrigens auch eine „Dogge“, eine Puppe, gibt) hat Bäckermeisterin Juliane Witthauer zusammengefasst:

Die Geschichte vom Ostheimer Lebkuchen von Juliane Witthauer

Geschrieben im Dezember 2016

Es war einmal vor langer, langer Zeit. Über 300 Jahre – so im 17. Jahrhundert. Als sich ein Bäckersmann aus dem kleinen Örtchen Großenlupnitz bei Eisenach auf die Wanderschaft machte. So kam er auch nach Ostheim und arbeitete Nacht für Nacht in dem kleinen Gemeindebackhaus hinterm Rathaus, welches sein Meister von der Stadt gepachtet hatte. Bald schon entdeckte er die hübsche Bäckerstochter – Anna Weygand – und verliebte sich doch gleich. So kam es, dass die Bäckerstochter heiratete – ihren geliebten Dittrich Schenk. Sie arbeiteten glücklich miteinander in der kleinen Backstube und am 28.07.1700 wurde ihr Sohn Johannes geboren. Als der Schwiegervater starb, übernahm Dittrich die Backstube.

– Die Geburtsstunde der Bäckerei Schenk –

Als Dittrich nach Ostheim kam, hatte er nicht viel Gepäck. Doch etwas ganz Besonderes trug er mit sich. Er beherrschte die Kunst des Lebküchners, er wusste, wie man den schweren Honigteig bearbeitet. Und so fing er an, für die Ostheimer Lebkuchen zu backen. Schon als der Sommer zu neige ging, musste er daran denken, seinen Honigteig vorzubereiten. Also machte er schon im September einen Teig aus Honig und Roggenmehl. Dittrich füllte die zähe Masse in große Bottiche und brachte sie in den Keller. Da war es kühl und dunkel. Genau richtig, um den Teil reifen zu lassen. Nun hatte er etwas Zeit, sich um die Zutaten zu kümmern. Er kaufte die teuren Gewürze, die er bauchte: Nelke, Zimt, Muskat, Kardamom und Koriander. Zucker für den Zuckerguss, Hirschhornsalz zum Teig lockern.

Jetzt konnte er endlich anfangen, seinen Lebkuchenteig zu machen. Dittrich knetete seinen gelagerten Teig zusammen mit seinen teuren Zutaten. Das war nicht einfach, schließlich musste der Teig mit der Hand geknetet werden. Die Holzmodel, die er brauchte, hatte er von seiner Wanderschaft mitgebracht. Ein dickes Brett, in das ein Reiter eingeschnitzt war. Darüber rollte er nun seinen festen Lebkuchenteig und drückte ihn so kräftig in die Model, bis jede einzelne geschnitzte Linie im Teig zu sehen war. Jetzt war es an der Zeit, die Lebkuchen in den Backofen zu schieben. Und es duftete herrlich nach Zimt und den anderen Gewürzen, die die Ostheim so gar nicht kannten. Der Duft zog durch die Gassen und alle reckten die Nasen. Jeder fragte sich, wo dieser verlockende Duft herkam. Natürlich aus dem Backofen von Dittrich Schenk. Sogleich fragten die Leute, was da so lecker duftet. Dittrich antwortete nur: „Wartet noch bis Dezember, dann will ich mein Geheimnis lüften!“ Er musste ja noch seine Lebkuchen verzieren. Mit buntem Zuckerguss und Köpfchen aus Papier.  Nun waren sie endlich fertig.

Für die Buben eine Dogge. Eine feine Lebkuchen-Dame mit einem Kleid aus weißen, blauen, roten und grünen Zuckerguss-Wellen, ihre bauschigen Ärmel gelb gerüscht, ihr Haar in weißen Wogen um das zarte Gesicht, das als geprägter Papierkopf vom Lebkuchen strahlte.

Für die Mädchen den Reutter. Einen stattlichen Reiter hoch zu Ross mit einer bunten Satteldecke und feinem Zaumzeug aus Zuckerguss. Obenauf ein geprägter Papierkopf mit Rauschebart und roter Fellmütze.

Wunderschön verzierte Lebkuchen lagen nun Anfang Dezember in seinem Laden. Und die Leute kamen und staunten. Wer es sich leisten konnte, kaufte nun dieses besondere Gebildebrot und verschenkte es am Nikolaustag an sein Patenkind. Es hatte sich schnell über Ostheim Grenzen hinweg herumgesprochen, was es Besonderes in Ostheim gab. Also spannte Dittrich die Pferde vor seinen Wagen und fuhr mit seinem Sohn Johannes rhönaufwärts und verkaufte auch dort seine beliebten „Reutter und Dogge“.

Dittrich starb am 03.02.1728 – doch seinen größten Schatz – das Rezept des Ostheimer Lebkuchens –

hat er seinem Sohn weitergegeben. Er schrieb es in sein Buch, die „Schenk’sche“ Chronik.“ Johannes hatte das Bäckerhandwerk von seinem Vater gelernt. Er baute sich eine Mühle in den Wiesengrund oberhalb der Stadt, denn er wollte sein Mehl selbst mahlen. Noch heute dreht sich das Mühlrad an der Johannes-Mühle in Ostheim. Das Lebkuchenbacken brachte Johannes auch seinem Sohn bei und so ging es immer, immer weiter. Über 300 Jahre.

Was in Ostheim und landauf guter Brauch und Sitte war, ist jetzt eine Erinnerung – eine sehr schöne!

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Das Team von texTDesign wünscht Ihnen von Herzen ein fröhliches Weihnachtsfest im Kreise Ihrer Lieben und einen guten Start ins neue Jahr! Auch in 2023 sind wir gerne Ihre zuverlässigen Wegbegleiter und kreativen Impulsgeber.

Retter
Gezeichnet von Thomas Kob